Bergbau Tradition
Bergbau hinterlässt nicht nur in den Körpern der Bergleute Spuren, sondern auch in ihrem Geist. In den ehemaligen Montanregionen ist bis heute eine enorme Identifikation mit dem Bergbau zu erleben. Das Steigerlied erklingt auf erzgebirgischen Weihnachtsmärkten wie in Fußballstadien des Ruhrpotts. Die Traditionen des Bergbaus gingen ins allgemeine Bewusstsein ein, da personalintensive Arbeit im Bergwesen für viele einen persönlichen Bezug zu dieser Industrie in den Revieren schuf.
Jahrhundertelang gehörten nur die Mitglieder der Berg- und Hüttenknappschaften zu den Eingeweihten des Montanwesens. Eine eigene Fachsprache und berufsspezifische Kleidung zeigten die Exklusivität des Standes. Mit dem Ende des Bergbaus und dem allmählichen Versterben der Zeitzeugen nehmen sich die Erben und die Bewohner der Bergbauregionen des Vermächtnisses an.
Rund 30 Jahre lang hat der erzgebirgische Künstler Günter Schwoboda (1934-2017) an dieser Pyramide gearbeitet. Er stammte selbst aus einer Bergmannsfamilie in Freiberg und war tief in der Bergbaukultur verwurzelt. Die Pyramide, mit den fünf Ebenen und Figuren von Berg- und Hüttenleuten, sollte eine Würdigung für deren Leistungen darstellen.
Bergmannssprache und Berggeschichten
Der Erfolg des Homo Sapiens beruht auf Sprache. Dank unserer Fähigkeit zu sprechen können wir miteinander kommunizieren und Informationen austauschen. Das Erzählen von Geschichten und Witzen, das Singen von Liedern schweißt uns als Gruppe zusammen und vermittelt gemeinsame Werte.
Im Bergbau waren die Anforderungen an die Sprache besonders hoch. Besondere Werkzeuge und Techniken, Arbeitsweisen und Regeln, die es nur hier gab, brauchten eigene Begriffe. Man musste sich auch in der Kommunikation aufeinander verlassen können. Gleichzeitig diente die Sprache auch dazu, Eingeweihte von Außenstehenden zu unterscheiden.
Frauen im Bergbau
Bergbau ist männlich. Dieses Vorurteil hat sich insbesondere im deutschsprachigen Bergbau seit dem 19. Jahrhundert entwickelt. Gezielt wurden Frauen aus den Arbeiten unter Tage herausgedrängt, weil diese gutbezahlten Jobs den Männern vorbehalten werden sollten. Auch glaubte man, dass Frauen den schwersten Arbeiten körperlich nicht gewachsen seien. So galt das deutsche Untertage-Arbeitsverbot für Frauen lange durchaus als fortschrittlich.
Doch tatsächlich arbeiteten Frauen zu allen Zeiten und in allen Regionen der Welt über und auch unter Tage im Bergbau. Insbesondere dort, wo der Bergbau mehrheitlich in Kleinstunternehmen organisiert war, wurde oft in Familienverbänden gearbeitet, so dass auch Frauen ihren Beitrag leisteten. Im informellen Kleinbergbau machen Frauen weltweit heute etwa ein Drittel der Beschäftigten aus.
Ans Licht gebracht
Beim Zweiten Berggeschrey im Erzgebirge um 1500 gehören Frauen zu den Pionierinnen, die im Bergbau aktiv mitarbeiten. Bilder und Texte von Gelehrten, wie von Georgius Agricola, zeugen davon. Zu dieser Zeit treten auch bürgerliche und adlige Frauen wie Barbara Uthmann und Rosina Schnorr von Carolsfeld als Bergbauunternehmerinnen auf.
Für Unternehmen stellten Frauen schnell verfügbare und billige Arbeitskräfte dar. Da sie in der Regel nicht Mitglied einer Knappschaft sein durften, konnten sie schnell entlassen werden.
Das rund sieben Meter lange Rollbild zeigt eine historische Darstellung eines traditionellen japanischen Bergwerks. Frauen arbeiten dabei in verschiedenen Funktionen. Die Bergakademie Freiberg erhielt das Rollbild als Geschenk des Bergingenieurs Metzger, der wohl als Fachmann in Japan arbeitete und Kontakte zur Bergakademie hatte.
Der belgische Maler und Bildhauer Constantin Meunier (1831-1905) zeigte mit seinen Werken als einer der Ersten, dass hart arbeitende Menschen kunstwürdig sind. Seine Bildnisse von Bergarbeiterinnen stellen von der Arbeit gezeichnete, aber selbstbewusste junge Frauen dar. Im belgischen Steinkohlebergbau wurden Frauen auch unter Tage eingesetzt.
Frauen bei der SDAG Wismut
In Zeiten von Krisen, in denen Männer fehlten, übernahmen Frauen deren Positionen. Das zeigt sich besonders an der Anzahl von weiblichen Beschäftigten bei der SDAG Wismut. Gerade in deren chaotischer Anfangszeit nach dem Krieg wurden dringend Arbeitskräfte gesucht. 1948 waren etwa 12.000 Frauen bei der Wismut angestellt.
Zwar galt ab 1947 ein Verbot der Unter-Tage-Arbeit für Frauen, doch waren sie bis in die Mitte der 1950er Jahre in den Gruben keine Seltenheit. Nach dieser Zeit arbeiteten Frauen vor allen in den Fachdiensten und im Gesundheitswesen der Wismut.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Charlotte Praße (1912-1966) vor der Wahl: Trümmerfrau oder Wismut? Wegen der besseren Versorgung entschied sie sich für letztere. Zunächst als Bauarbeiterin beschäftigt, stieg die alleinerziehende Mutter zum Steiger, Reviersteiger und schließlich zum Revierleiter über Tage des Kombinats Annaberg-Buchholz auf.
Zusammenhalt - Die Identität der historischen Bergleute
In der hierarchischen vormodernen Gesellschaft waren die Menschen einem Stand zugeordnet, der wiederum vom Stand der Eltern und dem eigenen Beruf bestimmt war. Man gehörte einer festen Gruppe an, die für jedes Mitglied eine kulturelle Identität, einen rechtlichen Handlungsspielraum und einen sozialen Rahmen festlegte.
Kein anderer Stand verfügte dabei über ein so starkes Zusammengehörigkeitsgefühl wie der Bergmannsstand, da im Bergbau alle voneinander abhängig waren - vom Pochjungen bis zum Bergbeamten, der bei Hofe verkehrte. Alle im Berg und in der Hütte gehörten dazu, auch wenn es soziale Unterschiede gab.
Hervorgegangen ist der Stand aus den Bergmannsbruderschaften des Mittelalters als diese in Europa zwischen den Revieren wanderten. Mit der Zeit entwickelten sie einen eigenen Verhaltenscodex und Rituale.
Die Bergmannskleidung
Die Kleidung der Bergleute war zunächst vor allem praktisch und bot etwas Schutz vor Verletzungen – so entstand auch das Arschleder. Doch zunehmend entwickelte sich eine Berufstracht, die sich nach den Rängen und Aufgaben innerhalb der Branche weiter differenzierte.
Für Festtage und Bergparaden entstand in Sachsen seit dem 16. Jahrhundert eine aufwändige Festtracht. Die Gestalter der Montur bedienten sich optisch bei der Arbeitskleidung und betonten die sozialen Unterschiede. Das Arschleder als Erkennungssymbol blieb Teil auch der Festtagstracht.
Taufkleid
Taufkleid von Johann Borckenstein im Stil einer Bergmannstracht.
Datierung: 1702
Leihgeber: Oberharzer Bergwerksmuseum Clausthal-Zellerfeld
Tscherpertasche
Datierung: 1800-1850
Leihgeber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum für sächsische Volkskunst
Arschleder
Datierung: 2. Hälfte 19. Jahrhundert
Leihgeber: Museum Priesterhäuser Zwickau
Parade-Schachthut
Datierung: 19. Jahrhundert
Leihgeber: Museum Priesterhäuser Zwickau
Schlägel und Eisen als Symbol des Bergbaus
Das Erkennungszeichen der Bergleute kommt aus dem berufsständischen Wappenwesen. Es stellt Schlägel und Eisen übereinander in gekreuzter Form dar. Dies sind die beiden grundlegenden Werkzeuge der mittelalterlichen Bergleute. Die Andreaskreuzposition von Schlägel und Eisen galt früher als ein Abwehrzeichen gegen böse Geister und brachte den Trägern Glück.
Im 14. Jahrhundert taucht das Symbol erstmalig nachweislich in Böhmen auf Siegeln auf. Mittlerweile findet man es auch als Graffiti, auf Stadtwappen oder als Tätowierung auf der Haut.
Aus gutem Holz geschnitzt – Bergbau im Kunsthandwerk
Im Erzgebirge hat sich eine einzigartige Weihnachtskultur entwickelt, die Motive aus dem Bergbau eng mit der Weihnachtszeit verwoben hat. Für die Erzgebirger stellt das Schmücken der eigenen Wohnung mit einheimischer Holzkunst einen elementaren Brauch am Beginn der Adventszeit dar. Die aufgestellten Nussknacker, Pyramiden und Schwibbögen sind dabei oft mit bergmännischen Symbolen verziert.
Seit dem 17. Jahrhundert fertigten ehemalige Bergleute im Erzgebirge Holzspielzeuge zum Verkauf an. Daraus entwickelte sich eine ganz eigene Holzkunst. Bis heute ist die Tradition stark in der Bevölkerung verwurzelt. Unzählige Kunsthandwerker in der Region leben davon und erinnern mit ihren Arbeiten auch an den fast verschwundenen Bergbau.
Mehr als Klischee – Bergbau und erzgebirgische Volkskunst seit 1900
Mit der Erhöhung zur Volkskunst wurden die Produkte der erzgebirgischen Spielzeugmacher und Schnitzer weltweit populär. Die Ästhetik der Holzkunst, ihre Beliebtheit sowie ihre Verbindung zum Bergbau sorgten dafür, dass die beiden deutschen Diktaturen diese für ihre Zwecke instrumentalisierten und sie völkisch oder sozialistisch zu deuten versuchten.
Die neuen wirtschaftlichen Freiräume seit 1989 haben viele Handwerker und Hobbyschnitzer erfolgreich genutzt. Heute reicht die gestalterische Bandbreite der „Männelmacher“ von Tradition bis Popkultur.
Mythos Bergbau
Starke Männer und geizige Zwerge, Schätze und Gefahren, fiese Herrscher und böse Königinnen, geniale Techniker und großartige Künstlerinnen: Um den Bergbau sind seit Jahrtausenden Geschichten und Mythen entstanden. Speziell in den alten Montanregionen stellt die Erinnerung an den Bergbau und das Weitergeben der Überlieferung darüber einen Teil der eigenen Identität dar.
Neben alten Bergleuten, den Traditionsvereinen und den Bergbaumuseen gibt es heute noch viele andere Akteure, die den Mythos fortschreiben: Touristiker, Künstler, Fantasy-Roman-Autoren, Politiker und Fußballfans. Der Mythos um den Bergbau ist keine starre Erzählung, kein Dogma, sondern ein lebendiger Kosmos, der ständig verändert und manchmal auch missbraucht wird.
Aus der nordischen Mythologie stammend, handelt es sich bei Zwergen um kleinwüchsige Fabelwesen. Schon in der frühen Überlieferung werden sie als geschickte Handwerker beschrieben. Zwerge würden unterirdisch in der Nähe der Menschen leben. Ihr heutiges Erscheinungsbild mit Zipfelmütze steht wohl im Zusammenhang mit den Kapuzen der Bergleute.
Viele Geschichten spielen in mystischen Reichen unter Tage. So auch die des dritten Bands der populären Zauberland-Reihe des sowjetischen Schriftstellers Alexander Wolkow. Darin reisen die Heldin Elli und ihre Freunde in das unterirdische Land der Erzgräber, wo sieben Könige gleichzeitig despotisch herrschen.
Alles hat ein Ende
Das letzte in Deutschland geförderte Stück Steinkohle bauten Bergleute am 14. September 2018 aus der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop ab. Am 21. Dezember 2018 wurde sie an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übergeben. Damit endete der jahrhundertelange Steinkohlebergbau im Land, der für abertausende Menschen Einkommen und Identität bedeutete.